Quer-, frei- und überhaupt gedacht (Teststadium!)

Da flog sie zum letzten Mal dahin nach Nicaragua, die gute Freundin vor langer Zeit... Neben
den dazu passenden Gedanken hatte ich - nicht unbedingt zeitgleich - auch überlegt, was da
eigentlich geschah: Man war zusammen bis zur Berührung, nun wurde sie immer kleiner, ferner, brachte jede Menge anderes Material (=Luft, Aluminium, Beton, ...) zwischen sich und mich. Sie wurde immer kleiner aus meiner Sicht.
Ich glaube, wenn sie in der Größe, wie ich sie da sehen würde, direkt hier wäre, würde ich sie
nicht sehen, so klein... habe das aber noch nicht nachgerechnet.
Sicher, es gibt Post, Email, Telefon, und wir haben alle gelernt, sie ist genaus so groß
geblieben, es scheint nur so von wegen kleiner.
Berühren, direkt zusammen sein, bedeutet auch, der Informationsaustausch ist maximal und mit geringster Zeitverzögerung möglich: Man sieht, fühlt, riecht die größte Menge von Details, weil auch kein oder nur wenig Licht(-strecke) dazwischenpasst, ist die Zeitverzögerung
geringstmöglich.
Jetzt auf dem Flug wächst die Entfernung rasant, unzählbare Moleküle und Lichtwellenlängen
kommen sekündlich zwischen sie und mir. Licht hat eine sehr kurze Wellenlänge, einige hundert Nanometer und je weiter sich Dinge voneinander entfernen, desto mehr Lichtwellenlängen passen dazwischen.
Weil das Licht ja Zeit benötigt um von A nach B zu kommen, entschwindet sie, die gute Freundin, gewissermaßen auch immer weiter in der Vergangenheit. Ein Telefonat nach Nicaragua hat ja auch die bekannte Zeitverzögerung. Ich kann nie hören, was sie jetzt sagt, nur was sie vor einer Sekunde gesagt hat.

Ich schlendere langsam mit nicht klarem Kopf heimwärts, die Leute die auf mich zu kommen,
werden immer größer, schauen mich an, ich drehe mich um, die ganze Umgebung fliegt dabei um mich herum, mir schwindelt geradezu, hinter mir werden die Leute wieder kleiner, haben kein Gesicht mehr, nur Hinterköpfe, die immer detailloser werden...
Die Plakatsäule vor mir kommt näher, ihr oberes Ende läuft irgendwie kegelförmig zu, auch in
Fußhöhe ist sie schmaler als in Augenhöhe... Quatsch, sie ist überall gleichen Durchmessers hat man doch gelernt.
Ein Auto dauerhupt, fährt auf mich zu, vorbei, die Tonhöhe ändert sich, na auch nur scheinbar,
wissen wir ja.
Das Plakat links ändert auch dauernd seine Form, es wird wohl üblicherweise auch rechteckig sein, mir scheint es allerdings veränderlich trapezförmig, und wenn ich den Kopf samt Brille bewege, krümmen sich die Plakatkanten in verschiedener Weise. Blöde Brille, verzerrt alles...
oder?
Ich laufe schneller, die gerade Straße vor mir weitet sich veränderlich auf, ihre ganz weit
vorn fast zusammenlaufenden Bordsteine und Markierungen haben unter mir die größte Entfernung voneinander, laufen hinter mir aber wieder zusammen... natürlich nicht in Wirklichkeit - oder?
Nein nein, das ist kein LSD-Trip oder sowas (hab's nie probiert), Jede(r) kann doch das
alles wahrnehmen, man muss nur kurz mal den Glauben an Gelerntes aufgeben und NUR SEHEN, HÖREN.
Was mache ich eigentlich, was mir so die Perspektive scheinbar ändern lässt? Ich bewege mich natürlich, ziehe Muskeln zusammen, "falle" nach vorn, fange mich natürlich für den nächsten Schritt. Durch Längenänderungen meiner Muskeln im Körper sorge ich irgendwie dafür, dass Dinge vor mir größer, detailreicher werden bis zu einem Maximum, um dann hinter mir wieder kleiner, undetaillierter zu werden.
Und fast nirgends "echt" gerade Linien, exakte Kreise, der Gullydeckel unter mir hat nur aus
wenigen Blickpunkten wirkliche Kreisform, meist sieht er irgendwie oval aus.

Wir lernen natürlich, dass das so nicht ist, Alles ist immer gleich, es scheint nur so. Weil
der Mensch ja ein soziales kommunikatives Wesen ist, wäre es ja auch höchst unpraktisch, diese subjektive Dynamik als wahr anzusehen, es ist besser zu sagen, das Plakat ist immer rechteckig anstatt in allen Dimensionen dynamisch. Ob Katzen (und natürlich andere nicht der Krone der Schöpfung zugehörige Lebewesen) das auch so denken? Denken können sie ja nicht, sagen Viele, die aber (wie auch ich) gar nicht wirklich wissen, was Denken eigentlich ist. Aber das ist natürlich ein anderes Thema.

Jedenfalls verändere ich durch ursächliche Steuerung meiner Muskeln scheinbar(?) die Größen, Formen, Positionen der Elemente meiner Umwelt. Weiter Entferntes hat mehr Lichtwellenlängen zwischen sich und meinen Augen als Näheres.
Der hintere Kreisbogen des vor mir liegenden Gullydeckels ist weiter weg, es passen mehr
Lichtwellenlängen "rein" zwischen ihm und mir als beim vorderen Teil des Deckels, der mir etwas detailreicher erscheint, er ist ja halt näher.
Detailreichtum hat natürlich nichts mit den Wellenlängen eines einzelnen Lichtstrahls,
sondern vielmehr mit dem Winkel zwischen den unzähligen, von den ungezählten Molekülen des Deckels reflektierten Lichstrahlen zu tun.

In diesem ersten Schritt möchte ich nichts Anderes als das man sich einmal ausnahmsweise ohne gewohnheitsmäßige Routine durch die Welt bewegt und dabei bewusst subjektiv wahrnimmt. Die angedeuteten physikalischen Sachverhalte aus dieser Sichtweise stelle ich in einem zweiten Teil dar...